Mittwoch morgen – mein Alltag. Für diesen Beitrag benötige ich keine fiktive Schulsport-Situation (s. andere Blogbeiträge) – sie berichtet aus meinem Alltag als Referentin. Story of my life quasi…

 

Ich fahre mit unserem Anhänger auf den Schulhof (falls du unsere Anhänger nicht kennst, sie sind vollgepackt mit jede Menge Spaß und das ist von außen bereits sichtbar). Natürlich fahre ich im Schritttempo, denn ich sehe sowohl eine neugierige Gruppe auf mich zukommen als auch die Jungs die direkt auf dem Schulhof Fußball spielen.

 

Ich halte an, steige aus und will die Jungs gerade fragen, ob sie kurz Pause machen können, bis ich den Anhänger abgestellt habe. Doch in diesem Moment kommt bereits eine Lehrkraft auf uns zu. „Könnt ihr einfach  mal machen, was man euch sagt? Der Ball kommt jetzt zu mir – sofort.“

 

Mein erste Gedanke „Oh wow – Guten morgen“. Die Jungs nuscheln sich was in den Bart von „eh kein Bock auf Rollerfahren“ und ziehen von dannen.

 

Kurzer Smalltalk mit der Lehrerin und ich stelle den Anhänger ab. Als ich die Türen des Anhängers öffne, stürmen die Kids auf mich zu wie Mücken die vom Licht angezogen werden – ich liebe diesen Moment immer sehr (das ist keine Ironie!). Es zeigt mir ihre Neugierde und Vorfreude auf das was ich vorhabe. Ich erkläre ihnen, dass wir noch etwas Geduld brauchen bis es los geht, doch da kommt schon die nächste Lehrkraft mit einer lauten Stimme „So jetzt mal alles 5 Meter zurück!“. („Bitte, Danke“ füge ich in Gedanken hinzu.)

 

Sie holt sogar ein Absperrband und grenzt meinen Bereich ein – jetzt fühle ich mich ein wenig wie im Zoo. Und mit den Worten „Wehe es hängt einer am Absperrband“ verlässt sie den Schauplatz. Ich ziehe meine Kreise über den Schulhof um zu schauen wo wir nach der Pause starten können, da höre ich Gesprächs-Schnipsel von zwei Lehrkräften „Die soll mal schön ihre Göre heut abholen – da kriegt sie erstmal ein paar Takte von mir gesagt“. Eindeutig geht es um eine Schülerin und ihre Mutter…ich kann nichts weiter hören – geht mich ja auch nichts an.

 

Zurück am Anhänger sehe ich von weitem, dass ein paar Jungs am Absperrband kleben und über die Roller fachsimpeln. Seitlich kommt die Lehrkraft von vorhin (ich versuche schneller zu sein und die Jungs vorzuwarnen). „Seid ihr eigentlich bekloppt? Ihr sollt vom Absperrband wegbleiben!“

 

Und so könnte ich weiter von meinem spannenden Vormittag erzählen…

No Bashing please

Es ist kein Lehrkräfte-Bashing – es ist mein Blick als Außenstehende in den Alltag von Lehrkräften und die Feststellung, dass verbale Gewalt den Schulalltag beherrscht (nicht überall!). Ich kann die Herausforderungen nur erahnen, denen Lehrkräfte jeden Tag gegenüber stehen. Von Lehrkräftemangel über anstrengende Elterngespräche, überforderte junge Menschen und ein Lehrplan der keinen Spielraum zulässt. Migration, Inklusion und viel zu wenig Empathie auf allen Seiten. Und genau darum geht es in meinem heutigen Blog. Empathie – auch um Selbstempathie.

 

Mit meinem Team bin ich jeden Tag an einer anderen Schule – selten mehrere Tage hintereinander an der gleichen. Wir haben es „einfach“, wir kennen kaum die Probleme einer Klasse, die Schwierigkeiten von SchülerIn XY und den Stress der Lehrkraft oder der Schulleitung. Wir kommen, sorgen für Spaß und Bewegung und fahren wieder weg. Soweit so gut.

 

Trotzdem möchte ich gerne meinen Blick mit dir teilen:

 

Meine Aufgabe ist es, mich jeden Tag auf eine Gruppe einzulassen. Ich sehe jedes Kind wie es ist, in diesem Moment und ohne Vorgeschichte. In unseren Workshops kommt es natürlich auch zu Unruhen, doch ich kann mich ganz neutral auf Konfliktsituationen einlassen. Ich weiß nicht, dass „Tim immer am sticheln ist“ oder „Josy einfach immer kurz vorm Weinen steht, weil sie eine Sensible ist“. In diesem Moment sehe ich nur diese jungen Menschen vor mir, die evtl. einen Konflikt haben – mit anderen oder mit sich selbst. Ich kann mich darauf einlassen, in Verbindung gehen und meinen persönlichen mentalen Werkzeugkoffer herausholen um den Konflikt zu lösen bzw. sie bei der Lösung zu unterstützen.

 

Was aber würde passieren, wenn ich mehr über die Gruppe weiß, wenn mich z.B. die Lehrkraft vorwarnt „der Jonas wird sicherlich Probleme machen“ und „die Ina wird sicherlich abbrechen, die schafft das einfach nicht“? (Wir bekommen leider oft diese Vorwarnungen, auch wenn wir sie nicht möchten.) Mein Gehirn würde diese Infos aufsaugen und mein Verhalten, meine Reaktion auf Situationen beeinflussen. Es kam bereits vor, dass mich manche Vorwarnungen über SchülerInnen sogar vorweg so gestresst haben, dass der Zugriff auf meinen Werkzeugkoffer blockiert war. Mittlerweile weiß ich, wie ich diesen Zugang (meinen Flow) jederzeit zurückerlange und kann über die Vorwarnungen entspannt hinwegschauen/hören.

 

Und daher ist meine These für diesen Beitrag folgende: Die größte Herausforderung im Umgang mit Konflikten im Kontext Schule ist die Unvoreingenommenheit gegenüber meiner Mitmenschen.

Gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg

Mein größtes mentales Werkzeug im Alltag mit jungen Menschen ist die gewaltfreie Kommunikation, die es mir ermöglicht in Verbindung zu kommen und mir Leichtigkeit gibt. Mit ihr kann ich Konflikte lösen und dabei die Bedürfnisse aller Beteiligten im Blick behalten (so gut ich es eben kann).

 

Für die gewaltfreie Kommunikation braucht es eine gewisse innere Haltung, die oftmals jedoch durch Vorerfahrungen oder Prägungen blockiert wird. Du brauchst Respekt (gegenüber deinem Mitmenschen und dir selbst), Achtsamkeit (auch bzgl. der Beobachtung) und eine gute Portion Einfühlungsvermögen. Leider sind das  Eigenschaften, die uns oftmals auf dem Weg des Erwachsenwerdens (unbeabsichtigt) verloren gehen.

 

Wenn du nun blockiert bist, weil du einfach schlechte Erfahrungen hast mit deinem Gegenüber, ist der erste Schritt:

 

Mach dich frei davon.

 

Gib deinem Gegenüber jeden Tag eine neue Chance

Du darfst deine Gefühle annehmen, sie sind aus einem bestimmten Grund da. Werde dir dem kurz bewusst, dann atme tief ein und schiebe diese Gedanken oder Gefühle, die du mit deinem Gegenüber verbindest, liebevoll auf die Seite, um Platz für Neues zu machen. Es geht nicht darum, etwas zu überspielen oder einfach nur „nett“ zu sein – es geht um Authentizität. Es geht um Bedürfnisse, Werte und Wünsche, die du offen kommunizieren darfst, dein Gegenüber aber eben genauso.

 

Spürst du innere Wut oder Stress, weil du z.B. mit SchülerIn XY immer wieder an diesen einen bestimmten Punkt kommst? Dann gilt es zuerst, dich selbst zu regulieren (z.B. mit Atemtechniken – dazu folgt bald ein spannender Blog).

 

Und dann: Back to the Start! Gib deinem Gegenüber die Chance auf einen Neuanfang – möglichst jeden Tag.

 

Erst wenn du dich selbst reguliert hast und du deinem Gegenüber möglichst offen gegenüber stehst, kannst du Konflikte z.B. mit den Ansätzen der gewaltfreien Kommunikation nach Rosenberg lösen. Ich skizziere dir, wie es möglich ist. Die Umsetzung ist aber ganz individuell.

Die 4 Schritte der gewaltfreien Kommunikation

Der Ansatz der GfK stammt bereits auf den 70er Jahren von M. B. Rosenberg und ist inzwischen weltweit bekannt – und doch selten gelebt.

 

Zusammengefasst geht es um diese 4 Schritte:

 

  • Beobachtung
  • Gefühl
  • Bedürfnis
  • Bitte

 

  1. Das heißt sobald du die Basis zur GFK hast (s. oben BACK TO THE START) kannst du in die Beobachtung gehen. Was siehst du – kommuniziere es:

 

z.B. „Ich beobachte, dass ….

 

… du dich ärgerst, wenn du das Spiel verlierst und dann andere schubst.“

 

  • Wichtig du kannst nur Situationen beobachten, versuche nicht direkt in die Interpretation zu gehen – wie z.B. „ich sehe, dass du dich mit Tim nie verstehst, weil ihr einfach zu unterschiedlich seid…“

 

  1. Jetzt darfst du dein Gefühl dazu äußern (oder auch das Gefühl deines Gegenüber versuchen wahrzunehmen):

 

z.B. „Das löst bei mir das Gefühl von Unzufriedenheit aus, …“

 

Ja richtig – du darfst hier über deine Gefühle sprechen. Was passiert bei dir? Stichwort Selbstempathie.

 

  • Wichtig: Komme nicht von deinem Gefühl in die Beschuldigung: z.B. „Du machst mich damit wütend.“ Es geht hierbei rein um dein Feeling – was passiert bei der beobachtenden Situation, welche Gefühle entstehen.
  • TIPP: Du könntest auch über das GEfühl deines Gegenüber sprechen, wenn es es wahrnimmst. z.B. mit einer Fragen „Das Verlieren macht dich wütend, oder?“

 

  1. Wenn du dein Gefühl zu dem vorher Beobachtenden genannt hast, kannst du dein Bedürfnis dazu nennen.

 

„Ich möchte gerne Harmonie und dass alle ihren Spaß beim Spielen haben“

 

  1. Zum Schluss darfst du den konkreten Wunsch dazu äußern. In dieser Situation könnte das sein:

 

„Ich wünsche mir, dass wir gemeinsam lernen wie man mit Gewinnen und Verlieren umgehen kann, ohne wütend zu werden. Darf ich dir dabei helfen?“

 

  • Sei dir an dieser Stelle bewusst: Auch das Nichterfüllen deiner Bitte oder deines Wunsches ist in Ordnung. Es geht in dieser Situation erstmal um empathisches Begegnen.

 

Die gewaltfreie Kommunikation ist für viele kein Element der eigenen Erziehung gewesen. Leider ist unsere Kultur vielmehr auf Fehlersuche und Schuldzuweisungen spezialisiert. Und dennoch kann man die Art der eigenen Kommunikation trainieren. Vielleicht gelingt es dir nicht immer, ausführlich in allen 4 Schritten (wir sind alle nicht perfekt) Konflikte zu begleiten. Aber wenn du die Empathie in den Vordergrund stellst, deine eigenen Beobachtungen, deine Bedürfnisse und die des Anderen sachlich schilderst, bist du auf dem besten Weg.

Ich wünsche mir für unsere Schulen der Zukunft mehr (Selbst)Empathie und gewaltfreie Kommunikation. Jeder (junge) Mensch bringt seinen eigenen mental vollgepackten Rucksack mit in die Schule. Wir können nicht in die Köpfe der Kinder und Jugendliche schauen, aber wir können in Verbindung kommen, Konflikte gewaltfrei und gemeinsam lösen bzw begleiten und ein Vorbild werden.

 

Denn was lerne ich, wenn jemand empathisch mit mir umgeht? „Hey – der versteht mich und das tut mir gut. Vielleicht probiere ich das auch mal bei meinen Mitmenschen.“ ????

 

Und das, was wir „hintenrum“ über Menschen sprechen (s. „die Göre“ von oben) ist übrigens auch von Bedeutung, denn Achtung: Unser Gehirn hört immer mit. Du stopfst es dadurch nur unnötig mit schlechten Vibes zu – „Gedankengift“. Das wiederum blockiert dein rationales und logisches Denken. Das brauchst du aber soooo dringend bei all deinen alltäglichen Herausforderungen!

 

Also weniger Energie und Zeit mit Lästern und Schimpfen verbringen – lieber mehr Zeit in echter Verbindung und Leichtigkeit erleben. ????

 

WHEELUP! YOU.

Freitag, 14:30 Uhr in der Theresienschule: Fortbildungsnachmittag. Da sitzt ein Experte zum Thema „wertschätzende Kommunikation“.

 

Aber ganz ehrlich, ich verstehe nur Bahnhof. Also ich lobe meine Lernenden schon so gut es geht, versuche immer mehr den Fokus darauf zu legen, was richtig war. Und ich rede mit ihnen auch angemessen und mit Respekt, aber die brauchen keine „Heile Welt, hallo meine lieben“. Weiß der Typ da vorne, wie die selbst untereinander kommunizieren? „Ey Bro, du siehst heut echt scheiße aus – was los?“ „Hi Bitch – wie war dein Weekend?“ Und dank Tik Tok und Co haben meine Worte auch nur 3,3 Sekunden Aufmerksamkeit, dann swipen sie (gedanklich) weiter.

Zu Gast im heutigen Blogbeitrag: M. Sc. Psychologin Laura Kopp. Sie ist systemische Beraterin und arbeitet tagtäglich mit Jugendlichen in einer offenen, verständigen und wertschätzenden Atmosphäre. 

Neben all den Herausforderungen des Alltags einer Lehrperson auch noch diese: Einerseits zeigen Wissenschaft und Forschung ganz klar, dass positives Feedback zu verbesserter Arbeitsatmosphäre, mehr Zufriedenheit und gesteigerter Leistung führt. Die pädagogische Psychologie hat vielfach erwiesen: Lernen gelingt am besten, wenn wir uns pudelwohl fühlen, in Kombination mit positiven Emotionen und frei von Zwang, Angst und Bewertung. Andererseits ist Bewertung oder Rückmeldung geben ein Hauptgeschäft der Lehrkräfte. Feedback geben, auch über das was noch nicht klappt, bietet die Grundlage dafür, dass sich Schüler entwickeln können. Im Sportunterricht steht dann auch noch (vermeintlich) der Körper der Kinder und Jugendlichen im Rampenlicht. Ein rotes Tuch für jedes Selbstwertgefühl in einer so sensiblen Phase, in der die (Ab- und) Be-Wertung der eigenen Person sowieso schon Achterbahn fährt.

 

Was für eine Aufgabe! Wie kann das Zusammengehen? „Nett sein“ aber trotzdem „lehrreich“? Partystimmung bei der Fehlerbesprechung? Kritische Rückmeldung geben aber dabei nicht abwerten? Eine mögliche Lösung für dieses Dilemma bietet eine bewusst wertschätzende Sprache. Lies in diesem Beitrag über Wirken und Nutzen wertschätzender Kommunikation und lass dich von drei Impulsen für kleine Umsetzungen in deinem Alltag inspirieren. Weil es darauf ankommt, wie wir miteinander reden.

Grundbedürfnis aller Menschen: Ich will geschätzt werden… und das soll man auch hören!

Ein tiefes psychologisches Bedürfnis des Menschen ist es, sich selbst als einen respektablen, guten, wertvollen Menschen zu sehen. Dazu brauchen wir auch wohlmeinendes Feedback und positive Bestärkung von außen. Grade Heranwachsende benötigen es zur Entwicklung eines positiven Selbstbewusstseins, zur Entfaltung einer differenzierten Persönlichkeit und damit sie an Herausforderungen nicht scheitern, sondern sie meistern und aus ihnen gestärkt hervorgehen. Es erhöhen sich nicht nur Leistung und Zufriedenheit, Verhalten lässt sich auch einfach effektiver durch positive, als durch negative Rückmeldung verändern. Und vorallem: Lernen gelingt besser. Dies funktioniert, denn positive Kommunikation hat eine Wirkung auf unseren Körper: Werden wir wertgeschätzt durch positives Feedback und echte Anerkennung, aktiviert das das Belohnungszentrum im Gehirn und hemmt das Angstzentrum. Das wiederum erhöht Kreativität und Motivation. Optimale Lernbedingungen sozusagen.

 

Dieses Urverlangen nach Wertschätzung bleibt ein Leben lang bestehen. Besonders dramatisch zeigt es sich auch, wenn wir über lange Zeit keine Wertschätzung erhalten oder dauernd Abwertung erfahren. Das Gefühl nicht gut (genug) zu sein, nichts wert zu sein macht wortwörtlich krank – vom Unwohlsein, über den Leistungsabfall bis hin zu manifesten, psychischen Problemen. Im Schulalltag beobachtbare Phänomene wie (Cyber-)Mobbing, Selbst- und Fremdaggression, Suizid oder gar Amoklauf haben oft viel mit einem Mangel an Wertschätzung zu tun. Aber nicht nur der Extremfall hat Bedeutung für den Unterricht. Im Schulalltag sehen sich Kinder und Jugendliche einer ständigen Bewertung durch Lehrpersonen und Mitschüler ausgesetzt. Jeder Satz, jede Meldung, jede Regung wird in irgendeiner Form bewertet und kommentiert. Jeden Tag und jede Stunde gibt es Feedback über Leistung und Verhalten. Jede dieser Bewertungen durchläuft den inneren Kritiker. Ein abwertender Kommentar von Mitschülern oder Lehrkraft beispielsweise wirkt immer erstmal als Bedrohung für das Selbstbild. Unter den dadurch kurzfristig ausgeschütteten Stresshormonen kann sich die betroffene Person meist überhaupt nicht mehr auf den Lerninhalt konzentrieren. Er oder sie ist nämlich dann damit beschäftigt, sich innerlich (oder äußerlich) zu rechtfertigen, zu beruhigen, zu verdrängen oder mit anderen Angst-Copingstrategien. Besonders heikel: Im Sportunterricht wird vermeintlich der eigene Körper bewertet und in seinen ganzen Defiziten vor den anderen zur Schau gestellt. Das ist keinesfalls Absicht oder Ziel einer leistungs- und entwicklungsbezogenen Rückmeldung oder Hilfestellung im Sportunterricht. Dennoch wird es von vielen Kindern und Jugendlichen so wahrgenommen. In dieser Phase, in der sich Selbstbild und Selbstwertgefühl grade entwickeln,- und durchaus sehr instabil sein können – hat das oft nicht zu unterschätzende Auswirkungen. Da scheint es nachvollziehbar, dass sich manch einer lieber gar nicht erst solch einer Situation aussetzt und lieber auf der Bank oder gleich zuhause bleibt.

 

Das bedeutet natürlich nicht, dass du ab jetzt keine Kritik mehr äußern darfst oder dass wir alle nur noch „schleimen“ sollten. Es ist nun mal Realität, dass nicht alles was wir tun, von allen Seiten bejubelt wird. Und wie gesagt, eine der wichtigsten Aufgaben im Alltag einer Lehrkraft ist es ja, immer wieder Rückmeldung zu geben. Das ist nicht wegzudenken – im Gegenteil: Konstruktives Feedback ist für Lernen, Persönlichkeitsentwicklung und das Leben insgesamt unerlässlich.

 

Aber es bedeutet, dass wir genau prüfen sollten, wie wir Rückmeldungen geben, was unser Grundton in der Kommunikation ist und wie wir in den Klassenzimmern miteinander sprechen. Und es zeigt in aller Deutlichkeit: Sprache ist kein Kuschel-Thema! Wertschätzende Kommunikation meint nicht ein paar „warme Worte“, sondern ist ein echter Schlüssel für die Zusammenarbeit mit Menschen.

 

Und wie sieht es in der Praxis aus?

Wertschätzende Kommunikation im Schulalltag? Aber hallo! Auf allen Ebenen, auf denen dir Kommunikation begegnet, kannst du von bewusst wertschätzender Sprache profitieren. Für eine erste, persönliche Bestandsaufnahme können folgende drei Ebenen betrachtet werden: Wie rede ich mit meiner Schülerschaft (und sie mit mir)? Wie spreche ich mit den Eltern? Wie reden wir Lehrkräfte untereinander, miteinander, über einander? Auf allen drei Ebenen gibt es sprachliche Herausforderungen und Fallen, vermutlich kennst du selbst genug davon. Aber es gibt eben auch immer Möglichkeiten, Sprache bewusst zu gestalten.

 

Schülerschaft: Besonders schwierig wertschätzend (oder wenigstens neutral) zu kommunizieren erscheint es, wenn der Grundton in einer Klasse, Alters- oder Peer-Gruppe voll verbaler Aggression ist. Wenn Beleidigungen und Schreien Alltag oder sogar Inn sind. „Hey alte Fot**!“ – ist die beste Freundin. Überwältigt resigniert man vielleicht: „Die kennen das nur so, die können das nur so.“ Schneller als man denkt, lässt man sich selbst von diesem Sog mitreißen. Sprache färbt ab. Sprache schafft Realität. Dieser Kreislauf lässt sich aber auch umkehren: Die Lehrperson ist und bleibt Vorbild, so auch ihre Sprache. Durch bewusstes Sprach-Management in der Klasse können Kinder und Jugendliche Wertschätzung nicht nur erfahren (und genießen), sondern auch lernen, wie das geht. Welche Beleidigungen toleriere ich in der Klasse? Welche Feedbackvorschläge und alternative Formulierungen gebe ich meiner Schülerschaft an die Hand? Wie und wie oft melde ich Stärken und Erfolge zurück? Wie drücke ich mich selbst aus, wenn ich verärgert oder wütend bin? Dabei gilt, je früher man bewusst wertschätzende Kommunikation etabliert, desto stärker die Auswirkung auf das Klassenklima.

 

Elternebene: Bei der vorherrschenden Ressourcenknappheit reicht die Zeit für Elterngespräche oft grade nur so für Problem- und Krisengespräche. „Elterngespräche“ haben deswegen ja nicht so das beste Image. Keine guten Startbedingungen für konstruktive Gespräche! Eine Möglichkeit ist es ganz bewusst,- präventiv sozusagen, positiven Kontakt zu den Eltern zu suchen. Eine kurze Rückmeldung bei Erfolgen, ab und zu mal eine Rundmail nach einem gelungenen Klassenprojekt. Und statt zu schimpfen erstmal anerkennen: Grade in Krisengesprächen ist es für Eltern unglaublich wertvoll, (auch mal) positives Feedback über ihre Kinder zu bekommen. So eine wertschätzende Rückmeldung zu Beginn eines Gesprächs kann ein echter Türöffner für die folgende Krisenarbeit sein.

 

Kollegium: Wie miteinander gesprochen wird, hängt maßgeblich mit dem zugrundliegenden Klima der Wertschätzung an der Schule ab. Diese wird durch Leitbild und Leitungsebene getragen und gelebt (oder eben auch nicht). Hängen überall Anti-Mobbing-Plakate aber die Führungsebene lästert im Lehrerzimmer ordentlich mit? Wie wird über die Schülerschaft gesprochen? Wer moderiert Gespräche, greift jemand ein bei Beleidigungen und Schimpftiraden? Und welche Möglichkeiten werden den Lehrpersonen denn gegeben, ihren Frust oder Ärger anzubringen? Als Einzelperson hat man es manchmal wirklich schwer, sprachlich etwas zu ändern, wenn das Klima insgesamt nicht stimmt. Aber da wiederum liegt auch die Möglichkeit des Top-Down-Role-Models: Führungspersonen als Vorreiter, denen ein respektvoller, wertschätzender Umgang wichtig sind, können viel bewegen. Neben der Vorbild- und regulierenden Funktion können sie auch Ressourcen frei machen für kommunikationsbezogene Fortbildungen und Projekte. Aber auch du als Einzelperson kannst in deiner Arbeit, in deiner Sprache jeden Tag neu entscheiden, bewusst wertschätzend zu formulieren und somit einen Unterschied zu machen.

 

Das Wichtigste zum Schluss: Für nachhaltig wertschätzende Kommunikation in der Schule scheint es mir ganz wesentlich, entspannt zu bleiben. Sie soll einfach sein und guttun. Es geht nicht darum, jedes einzelne Wort perfekt zu formulieren und ja nie wieder etwas Negatives zu sagen. Und wenn man dann eben doch mal aus der Haut gefahren ist und die Zunge mehr Abwertung und Ärger (denn professionelle Sachlichkeit) herausgeflucht hat, kommt das Wichtigste ins Spiel: Wertschätzend mit sich selbst sein. Sich freundlich als Menschen erkennen. Die eigene Situation und Anstrengung achten. Und morgen der Wertschätzung eine neue Chance geben. Vielleicht ja mit einem der folgenden Impulse.

Drei Impulse für das Schulgeschehen

Wertschätzender Abschluss

Eine Abschlussrunde, Abschlussfeedback als Kreis oder spontanes Melden sind etablierte Methoden, einen Unterricht zu beenden. Wird so eine Feedbackrunde ritualisiert, bietet sie eine pragmatische, kurze, akzeptierte und häufig sogar von der Schülerschaft geschätzte Möglichkeit einen Unterricht oder einen Tag zu beschließen. Warum nicht mal statt dem klassischen „Das war gut“, „Das war schlecht“, oder was du sonst so kennst, ganz bewusst etwas Wertschätzung einbringen? Zum Beispiel mit folgenden Feedbackfragen:

 

Wofür möchte ich mich heute bedanken (und bei wem)? Bei wem möchte ich mich heute entschuldigen (und für was)? Was ist mir aufgefallen, was … heute echt gut gelungen ist und ich möchte es zurückmelden? Und was ist dir selbst aufgefallen, hat heute in der Klasse etwas besser oder sogar echt gut geklappt…?

 

Less Sh**-Talk in Klassenkonferenzen

Besonders gefährdet für abwertende Kommunikation sind hoch emotional aufgeladene Situationen wie die Krisen-Klassenkonferenz. Klassischerweise einberufen, wenn das Kind sozusagen schon in den Brunnen gefallen ist. Ärger und oder Verzweiflung bestimmen die Situation – oft auch sprachlich. Bei allem Verständnis für die Schwierigkeit der teilnehmenden Lehrpersonen, eine defizitorientierte, problemfokussierte Kommunikation oder ein persönliches Abwerten des „Arschloch-Kindes“ (ja, leider sprechen immer noch manche Pädagogen innerhalb der Ausübung ihres Berufes so über die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendliche) sind neuro-psychologisch gesehen einfach nicht hilfreich. Sie Vergiften nicht nur das Arbeitsklima sondern hemmen die Entwicklung von Lösungsstrategien durch das Binden kognitiver Ressourcen.

 

Natürlich darfst du darauf hinweisen, wenn die Kommunikation ein professionelles, arbeitsbezogenes Niveau verlässt – falls das die moderierende Person grade mal vergessen hat. Aber vielleicht können dir auch folgende Impulsfragen Anregung für solch herausfordernden Situationen sein:

 

Wie sprechen wir über die uns anvertrauten Kinder und Jugendliche? Wie würde es sich auf meine Leistung, Motivation und Verhalten auswirken, wenn so über mich gesprochen würde? Welche Lehrperson spricht in welcher Situation wie über die betreffenden Schüler? Welche eigenen Gefühle und Bedürfnisse könnten abwertenden Kommentaren zugrunde liegen? Welcher Lehrkraft gelingt es, trotz allem, etwas Wertschätzendes über den Index-Schüler zu sagen? Wie gelingt ihr, ihm das (nachfragen erlaubt!)? Was könnte ich selbst, an berechtigtem, positivem Feedback einbringen, um den Shift der Arbeitsatmosphäre hin zur Lösungsfokussierung zu unterstützen…?

 

Der kleinster, erster Schritt

Absolut banal und doch so essentiell: Begrüße deine Schülerschaft freundlich, mit einem Lächeln und sprich sie dabei mit ihrem Namen an. Das Bedürfnis nach Wertschätzung beginnt damit, als individuelle Person gesehen zu werden, egal in welchem Alter oder Kontext. Jemandes Namen zu kennen und ihn oder sie mit diesem anzusprechen legt den Grundstein dafür. Das ist doch selbstverständlich? Dann achte doch mal darauf: Kennst du alle Namen deiner Schüler? Und vor allem – wissen die das auch?! Wie oft begrüßt du die Kinder und Jugendlichen mit ihren Namen? Und wo befinden sich deine Mundwinkel, wenn du die Tür zum Klassensaal öffnest…?