Marienschule, Turnhalle. Ich spiele heute mit meiner 8b Handball – finden eigentlich alle ganz cool, muss ich feststellen. Also lockere Stimmung, gute Spielläufe, Teamgeist… hey das ist doch mal eine entspannte Sportstunde. Dann passiert es, Jonas hat die Ballführung übernommen (ok – eher ausversehen) und befindet sich an der Freiwurflinie. Komm schon – den kriegst du rein, Jonas. Doch dann das – er gibt den Ball ab – nur leider an den Gegenspieler. Das sorgt für Aufregung. Seine Mitlernenden beschimpfen ihn „wie kann man nur so blöd sein“, „was war denn das für ein dummer Fehler“, „bist du total unfähig“?

Ich stehe daneben, versuche die Meute zu beruhigen und sage Dinge wie „naja das passiert“, „das war sicherlich keine Absicht“ und leite das Spiel wieder an. Nach der Stunde beobachte ich Jonas, wie er kleinlaut die Halle verlässt. Ach Mensch, warum tun Fehler oft so weh?

Was verbinden wir mit „Fehler machen“?

Fehler machen ist oft mit negativen Gefühlen verbunden. Ob es in der Schule eine falsche Antwort in einem Test ist oder später im Beruf ein großer Fehler, mit dem ein Projekt gescheitert ist: Fehler machen gehört zu unserem Alltag. Doch muss ein Fehler immer ein negatives Ergebnis haben? Was, wenn wir Fehler als etwas Positives betrachten und aus ihnen lernen?

WELCOME POSITIVE FEHLERKULTUR

In einer positiven Fehlerkultur werden Fehler nicht als „Problem“ dargestellt oder als etwas schlechtes, sondern man betrachtet Fehler als Teil des Lernprozesses. Wenn es uns gelingt diese Kultur in der Schule zu etablieren, dürften mehr Kinder den Mut haben, Neues zu probieren und Dinge zu wagen, die sie vorher vielleicht gescheut haben. Obwohl sie weiterhin vorsichtig sein werden, werden sie weniger Angst haben zu versagen und sich dadurch abgelehnt zu fühlen und ihr Wissen und Fähigkeiten erweitern.

Ich möchte dir Mut machen, unterstützend statt kritisch zu sein. Versuche, die Fehler deiner Lernenden nicht nur als einen schlechten Wert, sondern als eine Möglichkeit der Weiterentwicklung zu betrachten. Das ist sicherlich nicht einfach.

Herausforderung Nummer 1

Da haben wir unser Bildungssystem, das leider immer noch lieber die Fehler hervorhebt, statt das Entwicklungspotenzial. Je mehr Fehler gemacht werden, desto schlechter wird die Note – das macht Angst und frustriert. In der Schule setzen wir also dank unseres Bildungssystems auf „Fehlervermeidung“ und damit gehen vielerlei gute Lernanlässe verloren – schade.

Herausforderung Nummer 2

Und dann sind da noch unsere Kinder und Jugendliche der heutigen Zeit  – zum Teil sehr selbstkritisch, ehrgeizig und mit (vor allem in der Pubertät) meist schnell sinkendem Selbstwert wenn es um Fehler geht. Das Resultat: Die Generation Z hat bereits in der Schule, aber spätestens zu Beginn des Berufslebens bereits mentale Probleme, fühlt sich überfordert oder gestresst.

Exkurs:

Hier ein kleines Experiment zum Thema Selbstwertgefühl: Nimm einen Geldschein mit in den Unterricht und zeige ihn der Gruppe. Frage ganz offen und ehrlich, wer möchte den gerne haben?

Sicherlich werden sich alle melden. Dann nimm ihn und falte ihn ganz klein und stelle wieder die gleiche Frage. Anschließen verkrumple ihn, reiße ihn ein wenig ein, tritt mit deinen Füßen drauf rum.

Und nun frage erneut „wer möchte gerne diesen Schein haben?“ Sie werden vermutlich verwundert sein, aber feststellen, dass der Schein ja nicht an Wert verloren hat.

Die Moral der Geschicht‘: Egal welche kleinen Fehler du hast oder machst, was andere vielleicht mit dir machen oder über dich sagen – es ändert nichts an deinem Wert.

 

Zurück zum Kern:

Wenn wir eine positive Fehlerkultur im Unterricht leben, steigt die Chance dass unsere Lernenden mehr Mut aufbringen, Neues zu versuchen und eine höhere Risikobereitschaft haben. Sie werden selbstständiger denken und Probleme eigenständig lösen lernen., die eine hervorragende Grundlage für ein erfolgreiches Berufsleben bilden.

 

Wie kannst du die positive Fehlerkultur in der Schule leben?

Wir geben dir ein paar Impulse – natürlich immer abhängig von deiner aktuellen Unterrichtssituation, deiner Lerngruppe und auch von deiner eigenen mentalen Verfassung.

  1. Ermutige deine Lernenden, einander respektvoll zu korrigieren. Zeige ihnen Möglichkeiten, wie man sich bei möglichen Fehlern gegenseitig unterstützt. Das schafft ein positives Umfeld für Lernen und Erleben. Hier geht es vor allem um das Beachten von Bedürfnissen in einer Gruppe. Besprecht was die einzelnen Bedürfnisse sind/ sein könnten. Könnte sein, dass Bedürfnisse wie „sicherer Raum“ „Harmonie“ und „Angenommen werden“ zur Sprache kommen. Wenn diese Bedürfnisse für alle verständlich und nachvollziehbar sind (ihr könnt sie auch gerne auf einem Plakat sammeln oder du gibst Vorschläge) und es dann zu ggf. respektlosen Kommentaren kommt, (z.B. wenn jemand einen Fehler macht) kannst du erneut darauf hinweisen. Bestimmte Kommentare und Aussagen missachten diese Bedürfnisse und verletzen Menschen. Das darf klar kommuniziert werden.  So stellst du indirekt Regeln für ein gutes Miteinander auf.

 

  1. Gerade im Schulsport kannst du deine Gruppe immer wieder einladen, alle möglichen Fehler sorgfältig zu untersuchen. Du kannst z.B. mit Video-Apps eine Bewegungsanalyse mit deiner Lerngruppe durchführen, anstatt etwas einfach als schlechte Leistung Hierfür eignen sich Apps wie Coach’s Eye (App zur Videoanalyse von Bewegungen), ChoachNow, iCLOO! oder andere. Wir haben hier eine App als Beispiel verlinkt für dich Coach’s Eye Android bzw Coach’s Eye Apple

 

  1. Eine Analyse der Fehler wie im Impuls 2 vorgeschlagen, kann deinen Lernenden helfen, einen neuen Lernprozess anzusteuern. Tipp: Vielleicht kannst du zur (fehlgeschlagenen) Übung/ Aufgabe eine Checkliste erstellen und die Lernenden können anhand dieser Liste, selbstständig ihre Ergebnisse prüfen und so zu einem selbstständigen Lernen kommen – ohne den typischen Vorführeffekt vor der gesamten Klasse. Ein Beispiel aus dem Feld Fahren, Rollen, Gleiten: In den WHEELUP! Tutorials (die kostenfreie App findest du hier….)  gibt es Hinweise während der Bewegungsanalyse. Diese Hinweise können als Checkliste dienen. Hat jemand alle Punkte beachtet und dennoch Schwierigkeiten gibt es unter den Tutorials jeweils weitere wertvolle Tipps vom WHEELUP! Coach. So gelangen deine Lernenden step by step zum Lernziel – weitgehendst selbstständig.

 

 

  1. Besonders im Schulsport hast du viele Möglichkeiten für eine positive Fehlerkultur. Du musst keine schriftlichen Klausuren korrigieren, auch keine Mathe-Aufgaben, in denen es eben nur ein richtig oder falsch am Ende gibt. Gib deinen Lernende immer wieder individuelles Feedback – nicht erst am „Prüfungstag“. Denn Achtung: Bekommen deine Lernenden erst am Ende diese Rückmeldungen, ist es meist einfach nur frustrierend. Es bleibt keine Zeit für Verbesserungs- oder Wiederholungsschleifen – das Feedback ist quasi wertlos. Und kein Kind wird aus der Schule kommen und sich sagen „naja dann übe ich es jetzt für mich nochmal hier zuhause, damit ich es lerne“.

 

  1. Erschaffe einen „bewertungsfreien“ Raum im Schulsport. Deine Lernenden stehen ständig unter Bewertungs-Beobachtung – sogar zuhause (wenn die Mama beim Hausaufgaben-machen über die Schulter schaut). Erschaffe (Zeit-)Räume in denen deine Lernenden frei üben und trainieren können, alleine oder im Team. Stelle ihnen Trainingshilfen und nötige Mittel zur Verfügung und sei da für Fragen – aber beobachte nicht explizit. So können die Lernenden ausprobieren, Risiken eingehen und sich frei fühlen.

 

  1. Hole dein Kollegium mit ins Boot. Ihr könnt gemeinsam Fortbildungen organisieren die sich um die positive Fehlerkultur und Problem-Solving drehen. So könnt ihr selbst Skills erlangen, wie ihr euren Lernenden zu einem positiven Bewusstsein für Fehler verhelfen könnt. Es ist ein Lernprozess, aber es lohnt sich – für Groß und Klein.

 

  1. Und ein letzter wichtiger Tipp: Mit Fehlern positiv umgehen zu können, hat viel mit der intrinsischen Motivation zu tun – lies dafür gerne in einen unserer Blogbeiträge: 3 Tipps für mehr Motivation im Sportunterricht

 

Und zum Schluss: Sortiert gemeinsam einmal die Buchstaben des Wortes „FEHLER“ einfach um:

Wie wäre es mit „HELFER“? 😉 Fehler sind Helfer!

WHEELUP! YOU

 

TIPP: Über unseren WHEELUP! Instagram Kanal erhältst du weitere wertvolle Tipps und Hinweise zu unseren Blogthemen.